Wo liegt Berlin?
Auch 2010 gibt es im Archiv der Jugendkulturen wieder die Gelegenheit, tiefere Einblicke in das Leben Berliner Jugendlicher mit migrantischem Hintergrund zu erhalten.
Bereits zum dritten Mal - nach den erfolgreichen Projekten "Auf dem Sprung" (2008) und "Los!" (2009) - veranstaltete das Berliner Archiv der Jugendkulturen seine Literatur- und Fotowerkstätten gemeinsam mit der Tempelhofer Dag-Hammarskjöld-Schule.
14 Schüler_innen mit verwandtschaftlichen Wurzeln in Thailand, der Dominikanischen Republik, in Bosnien und Herzegowina, der Türkei und in Russland nahmen an den zweiwöchigen Workshops teil. Unter der fachlichen Anleitung der Schriftsteller_innen Mirijam Günter und Reinhard Knodt sowie der Fotograf_innen Caro Fast und Emil Gruber sollten sie ihre persönlichen Betrachtungen und Erfahrungen zum Thema "Wo liegt Berlin?" in Texte und Fotografien umsetzen.
„Wo liegt Berlin?“ ist der Name einer Text-Sammlung von Betrachtungen Alfred Kerrs, die dieser vor rund 100 Jahren aus der Hauptstadt an seine Breslauer Heimatzeitung schrieb. Für die Jugendlichen ergaben sich aus der intensiven Beschäftigung mit dem Thema eine Reihe von vielen weiteren Fragen: Wo liegt mein Lieblings-, mein Sehnsuchts- und mein Zukunfts-Berlin? Wo stehe ich selbst? Will ich hier bleiben? Was will ich erreichen? …
Diese Auseinandersetzungen war für die Jugendlichen nicht immer leicht, aber schon bald schwärmten sie: “So sollte Schule immer sein!“, konnten sie doch, statt Mathe und Englisch zu lernen, nach Herzenslust in einem Secondhandladen wühlen, den Victoria-Park durchstreifen, auf dem Bahnhof bummeln und das Flughafengelände Tempelhof mit Kameras durchstreifen. Aber auch intensive Übungen, Gesprächsrunden oder stille Besuche einer Moschee gehörten zum Programm.
Am 18. Juni um 16 Uhr stellten die Jugendlichen ihre Arbeiten bei der Vernissage von „Wo liegt Berlin“ vor. In der von allen Beteiligten gemeinsam konzipierten Ausstellung wurden Fotos, eine Fotostory, aber auch jede Menge eindringliche Texte präsentiert, in denen Kritik an Erwachsenen, gelebte romantische Poesie und Zukunftsträume zu Papier gebracht wurden. Vor allem diese zeigten, dass 16- und 17-Jährige über künstlerische Kreativität und die Fähigkeit zum eindringlichen Statement verfügen.
Die Frage „Wo liegt Berlin?“ beantwortete übrigens eine Teilnehmerin so: „Am Ende einer jeden Kälte!“
"Wo liegt Berlin?" wurde vom 19. Juni bis 17. Juli 2010 von Mittwoch bis Samstag, 15.00 bis 19.00 Uhr in unseren Veranstaltungsräumen gezeigt.
Informationen zu den Werkstättenleiter_innen:
Fotowerkstatt
Emil Gruber (Graz, Österreich), geboren 1959 in Leoben
Er arbeitet als Pressefotograf und freier Journalist mit Schwerpunkt Architektur und ist Partner von ORTLOS space engineering, einem Architekturbüro in Graz, das sich vorwiegend mit dem Übergang vom realen in den virtuellen Raum beschäftigt. Daneben ist die Vermittlung des fotografischen Blicks im Rahmen von Workshops in diversen Universitäten und Schulen sowie anderen Einrichtungen für Jugendarbeit ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeiten. Er leitete 2009 beim Projekt „LOS! - Literatur im Labyrinth“ gemeinsam mit Jörg Metzner die Fotowerkstatt. Derzeit arbeitet er an den Vorbereitungen eines internationalen Projektes zur Errichtung einer Begegnungs- und Ausbildungsstätte am Kivusee in Ruanda mit (ortlos.com/photography).
Caro Fast (Berlin, Deutschland), geboren 1979 in Berlin
Sie ist seit 2008 Studentin bei Professor Koppelkamm an der Kunsthochschule Berlin Weißensee. Im selben Jahr hat sie gemeinsam mit der Fotografin Loredana Nemes an dem Projekt „Berliner Männerwelten“ gearbeitet. Das WS 2009/10 verbrachte sie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, um ihre Kenntnisse der Fotografie bei Frau Professor Tina Bara zu vertiefen. Derzeit arbeitet sie an dem fotografischen Projekt „Heimat“, Portraits von Jugendlichen in Berlin mit unterschiedlich kulturellem Hintergrund, unterstützt durch Texte bzw. Interviews von und über ihre Heimat.
Weitere Ausstellungen:
- 2005 Ausstellung in der AUE
- 2005 Gruppenausstellung, „Ein Fest“, Galerie Borchert und Schelenz
- 2006 Gruppenausstellung, „Schöne-berg-Wanderung“, Galerie Borchert und Schelenz
- 2006 Gruppenausstellung, „Ein Fest 2“, Galerie Borchert und Schelenz
Literaturwerkstatt
Mirijam Günter (Köln, Deutschland), geboren 1972
Sie ist Schriftstellerin und Publizistin. Bekannt wurde sie mit ihren Romanen »Heim« und »Ameisensiedlung«, in denen sie über Kinder und Jugendliche am Rande der Gesellschaft schreibt. Günter bezog in der Debatte über die Zukunft der Hauptschule öffentlich Stellung und setzt sich für eine gesellschaftliche Aufwertung dieser Schulform ein. Mit Literaturwerkstätten in Schulen und JVAs weckt sie bei Jugendlichen das Interesse am Schreiben. Zudem ist sie Trägerin des Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreises 2003 sowie des Hauptpreises in der Kategorie Kinder und Jugendgeschichten der 7. Bonner Buchmesse Migration 2009 (wikipedia.org/wiki/Mirijam_Günter)
Reinhard Knodt (Berlin und Röthenbach, Deutschland), geboren 1951 in Dinkelsbühl
Studierte Philosophie, Politik und Literaturwissenschaft in Erlangen, Heidelberg und am Trinity College in Dublin und promovierte 1983. Ein DAAD-Stipendium 1993 sowie Literaturstipendien des Auswärtigen Amtes und eine Reihe von Lehraufträgen und Gastdozenturen führten ihn durch Europa und die USA. Heute lebt er als freier Schriftsteller und Funkautor (Bayerischer Rundfunk, Deutschlandradio) in Berlin und unterrichtet an der Uni Bamberg und der Universität der Künste in Berlin (wikipedia.org/wiki/Reinhard_Knodt)
Wir bedanken uns bei unserem Medienpartner TAZ.de
„Wo liegt Berlin?“ ist Teil des Projektes „Migrantenjugendliche & Jugendkulturen“ und wird gefördert im Rahmen des Bundesprogramms „VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“, vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, von dem Integrationsbeauftragten des Berliner Senats und von der Bundeszentrale für politische Bildung.